Zwischen den eleganten Ostseebädern Sassnitz und Binz ragt an einem schönen weitläufigen Sandstrand mit Kiefernwald-Dünen ein Bauwerk empor, das den Größenwahn der Nationalsozialisten eindrücklich erfahrbar macht: Der 4,5 km lange, sechsgeschossige Betonkoloss, der 1936 von der Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ zur größten Ferienanlage für deutsche Arbeiter erbaut werden sollte – so zumindest die Propaganda. 20.000 Deutsche sollten hier erholsame Tage verbringen, jedes Zimmer mit Meerblick. Das größte Seebad galt als Prototyp, vier weitere u.a. am Timmerndorfer Strand und in Ostpreußen sollten angeblich folgen. Doch Erholung fand hier nie statt (und war möglicherweise von Hitler auch nie dafür vorgesehen).
Am 01.09.1939 wurden die Bauarbeiten abrupt eingestellt und Arbeiter wie Baugeräte für den Kriegseinsatz abgezogen. Während des Krieges wurden die Rohbauten von Zwangsarbeitern mit Dächern versehen und notdürftig ausgebaut. Die vier gigantischen Komplexe dienten Flüchtlingen und Vertriebenen als trostlose Bleibe, wurden als Lazarett und ab 1950 für militärische Zwecke der Roten Armee und der Nationalen Volksarmee genutzt. Dann verfiel der monströse Fremdkörper und wurde punktuell ausgeweidet, um Baumaterial zu gewinnen. In der Mitte, wo das 400.000 Quadratmeter große Festplateau entstehen sollte, klafft eine leere, seltsam unbewachsene Fläche bis zum Meer, die sich an einem einzelnen Betonwall, der ins Wasser ragt, festzuhalten scheint. Eine traurige Ruine, die vor dem vergangenen Wahnsinn warnt.
Heute bietet der Koloss von Rügen einer Diskothek (Miami 3!), einer Jugendherrberge und dem Dokumentationszentrum Prora sowie einigen anderen, eher unattraktiven Geschichts-Museen Unterschlupf. Land und Bund ziehen sich aus der Verantwortung, indem sie vier der fünf nutzbaren Blöcke a 550m Länge an Immobilienspekulanten verkauft haben, die sie zu Wohnungen und Hotels umbauen möchten – alle mit Meerblick.
Wir haben uns das Dokumenttionszentrum angesehen und sind an den riesigen Betonblöcken vorbeispaziert, einmal von der Landseite aus, dann nochmal am Strand entlang, wo wir auf den Betonwall gestoßen sind. Was für ein Kontrast zu der Mentalität, die die mondänen Seebäder um die vorherige Jahrhundertwende geprägt haben.